Zum Hauptinhalt springen

Creator & Artist Storys

Artikel 13 und seine möglichen Folgen

Von Susan Wojcicki

CEO, YouTube

Dieses op-ed wurde ursprünglich in der Financial Times veröffentlicht.

Kreativität war schon immer eine treibende Kraft für mich. Deshalb habe ich vor fast fünf Jahren auch sofort die Chance ergriffen und die Position als Chief Executive bei YouTube übernommen.

YouTuber nutzen die Plattform, um sich Gehör zu verschaffen, Fans zu inspirieren und ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Der Kanal Kurzgesagt – In a Nutshell erstellt beispielsweise Videos, die Zuschauer für Naturwissenschaften begeistern, und ist dadurch im Ranking der meistabonnierten YouTube-Kanäle in Deutschland vor Kurzem an die erste Stelle gerückt. Musiker wie Dua Lipa und Ed Sheeran hatten auf YouTube schon eine Fangemeinde lange bevor sie von den Plattenlabels entdeckt wurden. Und berühmte Musiker wie Elton John konnten durch YouTube ihre Songklassiker wieder aufleben lassen.

Wir haben intensiv daran gearbeitet, dass YouTuber und Künstler eine angemessene Bezahlung für ihre Arbeit erhalten. Im letzten Jahr hat YouTube 800 Millionen Euro an Rechteinhaber in der EU ausgezahlt. Außerdem hat die Musikindustrie weltweit mehr als 1,5 Milliarden Euro allein aus Werbeeinnahmen von YouTube erhalten.

Die Kreativwirtschaft könnte jedoch unter den Bestrebungen der EU, die Urheberrechtsrichtlinie zu überarbeiten, ins Wanken geraten. Durch Artikel 13 der Richtlinie könnten Plattformen dafür haftbar gemacht werden, wenn in von Nutzern geteilten Inhalten Urheberrechtsverletzungen vorliegen.

Wir befürworten die Ziele von Artikel 13, aber der Entwurf des EU-Parlaments in seiner jetzigen Fassung könnte unbeabsichtigte, weitreichende Folgen für den Lebensunterhalt von Hunderttausenden YouTubern und Künstlern haben.

Der Ansatz des Parlaments ist in vielen Fällen unrealistisch, da sich selbst die Rechteinhaber häufig uneinig sind, wer die Urheberrechte an welchem Inhalt hat. Das bedeutet, dass die Plattformen, die den betroffenen Inhalt hosten, unmöglich entscheiden können, wer der ordnungsgemäße Rechteinhaber ist.

Nehmen wir zum Beispiel den internationalen Hitsong "Despacito". Das Musikvideo umfasst verschiedene Urheberrechte, zum Beispiel die Rechte an der Tonaufnahme oder die Veröffentlichungsrechte.

YouTube hat Vereinbarungen mit mehreren juristischen Personen für Lizenzen und Nutzungsgebühren geschlossen. Es sind jedoch nicht alle Rechteinhaber bekannt. Diese Ungewissheit würde dazu führen, dass Plattformen solche Videos sperren müssen, um Haftungsrisiken zu vermeiden. Bei einer gigantischen Plattform wie YouTube, auf die jede Sekunde über 400 Stunden Videomaterial hochgeladen werden, wäre bei einer Haftung das finanzielle Risiko für das Unternehmen nicht tragbar.

Wir entwickeln bereits Technologien, um Urheberrechtsverletzungen vorzubeugen. Content ID beispielsweise ermöglicht den Rechteinhabern eine automatisierte Verwaltung und Monetarisierung ihrer Inhalte. Urheberrechte werden auf YouTube in mehr als 98 % der Fälle über Content ID verwaltet. Durch das System wurden bisher bereits mehr als 2,5 Milliarden Euro an Rechteinhaber für die Verwendung ihrer Inhalte durch Dritte ausgezahlt. Content ID ist in unseren Augen die beste Lösung, um Rechte auf globaler Ebene zu verwalten.

Zu den möglichen Konsequenzen von Artikel 13 zählen aber nicht nur finanzielle Verluste. EU-Bürger könnten möglicherweise nicht mehr auf Videos zugreifen, die sie im letzten Monat noch über 90 Milliarden Mal angesehen haben. Davon betroffen wären Videos aus der ganzen Welt sowie über 35 Millionen Kanäle aus der EU – egal ob es dabei um Sprachkurse, naturwissenschaftliche Anleitungen oder Musikvideos geht.

Wir begrüßen die Möglichkeit, gemeinsam mit Abgeordneten und Vertretern der Branche eine Version von Artikel 13 zu entwerfen, die sowohl die Rechteinhaber als auch den Erfolg der Kreativwirtschaft schützt. Mögliche Lösungsvorschläge wären umfassendere Lizenzvereinbarungen, eine enge Zusammenarbeit zwischen Plattformen und Rechteinhabern bei der Identifizierung von Urheberrechten sowie eine intelligente Technologie für die Verwaltung der Urheberrechte, ähnlich wie Content ID.

Plattformen, die diese Regeln befolgen und die Rechteinhaber bei der Identifizierung von Inhalten unterstützen, sollten nicht für jedes Video, das von Nutzern hochgeladen wird, direkt haftbar sein.

Deshalb fordern wir eine bessere Lösung, die die Rechteinhaber und YouTuber gleichermaßen schützt, und bitten die Abgeordneten, die wachsende Zahl der Gegenstimmen in der EU, darunter auch einige Mitgliedstaaten, nicht zu ignorieren.